Was muss wohl passiert sein, welche Verkettung von Ereignissen bewegt einen Mann, der zuerst auswandert um sein miserables Leben hinter sich zu lassen und in einer Überflussgesellschaft leben zu können, die er zu schätzen weiß, dass er letztendlich alle seine Chancen wegwirft und versucht einen Massenmord zu begehen? Ein versuchter Anschlag in New York im Dezember 2017 zeigt, wie sich das Geschwür des Radikalismus nun in der südasiatische Diaspora und letztendlich auch in Asien ausbreitet. Hier wird das nächste Schlachtfeld der Dschihadisten zu finden sein.

Der Täter in den USA wurde als 27-jähriger Bangladeschi aus Brooklyn identifiziert, der seit sieben Jahren in den USA lebt, sein Name laut Polizei: Akayed Ullah. Er hatte eine Rohrbombe bei sich, die er in Manhattan zur Explosion bringen wollte. Der Sprengkörper hat jedoch versagt. Die Polizei konnte den inkompetenten Dschihadisten festnehmen. Bei seiner Vernehmung gab er an, durch Trump, Israel und Weihnachtsplakate radikalisiert worden zu sein. Auch wenn man diese Erklärungen ernst nehmen wollte, handelt es sich bei dem Mann letztendlich einfach um einen Massenmörder, der versagt hat. Seine Familie, die wahrscheinlich von der Radikalisierung wusste, hat erklärt, dass sie über die „Überreaktion“ der Strafverfolgungsbeamten empört sei. Sei meinten auch, dass eigentlich eine andere Wahrheit als Motiv hinter der Tat stehen würde, die erst ans Tageslicht kommen würde, wenn es so weit sei. Das kann man wohl als Verschwörungstheorie abtun.

Das Familienumfeld ist in vielen Fällen an Radikalisierungsprozessen beteiligt, wie wiederholte ISIS-Fallstudien aufzeigen. Der Angriff insgesamt steht im Zusammenhang mit fast täglichen Übergriffen und gescheiterten Attacken in Europa, auch auf jüdische Synagogen in Deutschland und Schweden, in jenen Ländern, die am meisten Migranten aufgenommen haben.

Der Islamische Staat in Südostasien

Gleichzeitig bedeutet die voranschreitende Zerstörung Daesh’s nicht, dass die Bedrohung durch ISIS verschwunden oder auch nur vermindert ist. Eine nicht unbedeutende Zahl von ISIS-Kämpfern kam aus Süd- und Südostasien, wo weitere Angriffe am wahrscheinlichsten sind. Obwohl keines dieser asiatischen Länder jemals direkt in den Nahostkonflikt eingegriffen hat, leiden sie dennoch unter den Folgen des Dschihadismus, da bestimmte Teile der Bevölkerung durchaus ein Kalifat haben wollen.

Beispiel Singapur: Berichten zufolge sehen sich Geheimdienst wie auch Polizei mit der täglich steigenden Wahrscheinlichkeit eines Anschlages konfrontiert. Singapur gilt seit langem als globales Finanzzentrum mit strategischen Beziehungen zu westlichen Staaten wie Großbritannien und USA einerseits, andererseits zu Indien und China: Diese wiederum sind beide wichtige Partner des Westens bei der Terrorismusbekämpfung. Ein Angriff auf Singapur sei daher, so Experten, nur eine Frage der Zeit, da dort viele verärgerte und selbstradikalisierte singapurische Muslime leben. Muslime machen zur Zeit etwa 14 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Weiter geht es auf die Philippinen, wo immer noch ein permanenter Konflikt schwelt, der auf die Nachbarländer überzugreifen droht. ISIS ist es dort gelungen ein Kalifat zu etablieren. Präsident Duterte betonte erst kürzlich, die Schlacht von Marawi sei noch nicht zu Ende. Abu Turaiti wurde als Nachfolger des getöteten „Emirs“ als Verwalter des sogenannten südostasiatischen Wilayats (Verwaltungsbezirk) des Islamischen Staates bestellt. Der frühere Emir, Isnilon Hapilon, und andere Rebellenkommandanten wurden bereits im Oktober 2017 getötet. Duterte hatte bereits lange zuvor vor der Radikalisierung der muslimischen Teile der ansonsten überwiegend katholischen Bevölkerung in der Provinz Mindanao gewarnt. Denn hier falle die Radikalisierung auf fruchtbaren Boden.

Im Nachbarland Bangladesch, aber auch in Indonesien, stehen Tausende von Rohingya-Flüchtlingen bereit für eine Radikalisierung. Tausende Menschen aus Malaysien und Indonesien sind bereits zuvor für ISIS in den Kampf gezogen. Obwohl viele von ihnen getötet wurden, bleiben andere einfach verschwunden. Die Länder Südasiens verfügen nicht über ausreichend gut ausgebildete Geheimdienste, um alle zurückkehrenden Dschihadisten zu überwachen. So stellt diese Entwicklung eine massive Bedrohung für alle Länder der Region dar.

Vorspiel für neue Gefahren

Dies alles sind Vorspiele für zukünftige Entwicklungen. Europa leidet bereits länger unter den Auswirkungen des Terrorismus und hat daher in den letzten zwanzig Jahren Mechanismen entwickelt, um der Bedrohung zu begegnen, auch wenn sich liberale Rehabilitationsstrategien als gescheitert erwiesen haben. In Asien dagegen sind bisher nur Großmächte mit Bedrohungen solcher Art konfrontiert worden. Die kleineren Länder sind folglich nicht auf die scheinbar unvermeidliche Möglichkeit des islamischen Dschihadismus vorbereitet. Und nachdem es eine riesige asiatische Diaspora im Westen gibt, ist die Gefahr, dass sich diese Entwicklung auch bei uns auswirkt, mehr als real.

SUMANTRA MAITRA ist Doktorand an der University of Nottingham (Großbritannien), forscht zum Thema Großmachtpolitik und Neo-Realismus, mit besonderem Schwerpunkt auf Russland. Er schreibt für „War on the Rocks“ und „The National Interest“ und ist Analytiker für das „The Centre for Land Warfare Studies“ in Indien. Er hat sowohl einen Master of Journalism and Mass Communication wie einen einen Master of International Studies, beide mit Auszeichnung abgeschlossen. Der Artikel ist zuerst in THE SALISBURY REVIEW erschienen, Überetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors.