Rotpunkt- oder auch Flüchtigvisiere gehören zu den geschlossenen Visierungen und stellen daher andere Anforderungen an die Zieltechnik als offene Visierungen (siehe hier Teil 7-1). Wie man diese Zieloptiken zum Zielen nutzt und welche Technik dahinter steckt soll im Folgenden betrachtet werden.

Rotpunktvisiere vereinfachen den Zielvorgang in Nah- und Mitteldistanz um ein Vielfaches und bieten dem Schützen somit eine große Vereinfachung im Schusswaffenumgang – wenn man korrekt damit umgeht.

Gegenüber offenen Visierungen bieten Rotpunktvisiere den Vorteil, dass eine Zielmarkierung auf die Bildebene des Zieles projiziert wird und damit ein Fokussieren verschiedener Bildebenen unnötig wird. Dies ermöglicht bei korrekter Nutzung eine sehr schnelle und genaue Aufnahme des Zieles und damit eine zügigere Schussauslösung.

Jedoch gibt es bei der Nutzung von Rotpunktvisieren einige grundlegende Dinge zu beachten:

  1. Beide Augen offen

Rotpunktvisiere sind zur schnellen Zielauffassung und Schussauslösung konzipiert worden. Der Ursprung im behördlichen bzw. militärischen Bereich stellt eine Weiterentwicklung des Ziellasers dar. Während beim Laser eine Markierung direkt auf das Ziel gebracht wird und somit ggf. der Ursprungsort ermittelt werden kann, gibt ein Rotpunktvisier keine Lichtemission auf das Ziel ab bei einem ähnlichen Ergebnis für den Schützen.

Die Nutzung als optisches Hilfsmittel zur schnellen Zielauffassung bei gleichzeitiger Beibehaltung des räumlichen Sehens war seinerzeit die ursprüngliche Idee. Dies erfordert jedoch die Nutzung mit zwei offenen Augen, um das räumliche Sehvermögen beizubehalten. Die frühen Modelle, ebenso wie günstige Modelle der heutigen Zeit stellen diesen Anspruch an den Nutzer um korrekt zu funktionieren. Das räumliche Sehen erfordert eine gewisse Stellung der Augen in ihren Augenhöhlen zueinander. Der Fokus liegt dabei – je nach räumlichen Gegebenheiten – einige Meter vor der Person im Raum. Erweckt etwas die Aufmerksamkeit eines Schützen, i.d.R. das Ziel, bewegt sich der Fokus auf diesen Bereich. In dieses etablierte Sehfeld wird nun mithilfe des Rotpunktvisieres die Zielmarkierung gebracht, ohne dass der Fokus auf diesem Punkt liegt.

Schließt man nun das nicht zielende Auge, geht dabei nicht nur das räumliche Sehen verloren, sondern die Stellung des offenen Auges in der Augenhöhle ändert sich, Somit ändert sich der Winkel, in welchem das Licht durch die Optik in das Auge fällt. Dies kann man daran erkennen, dass sich der Rotpunkt vermeintlich in der Optik verschiebt. Gleiches passiert bei diesen Modellen, wenn sich der Blickwinkel in welchem man durch die Optik schaut verändert. Abhilfe für diese Verschiebung bieten neuere Generationen, bei denen die Zielmarkierung als Hologramm zwischen zwei Scheiben projiziert wird.

Aus diesen genannten Gründen: Rotpunktvisiere immer mit beiden Augen offen nutzen!

 

  1. Nur so hell wie nötig:

Bei der Nutzung von Rotpunktvisieren neigen viele dazu, die Markierung möglichst hell und intensiv einzustellen, damit diese auch deutlich sichtbar ist.

Die Einstellmöglichkeit der Helligkeit/ Intensität ist aber dazu gedacht, die Zielmarkierung an die jeweiligen Lichtverhältnisse anzupassen. Warum ist das so wichtig?

Je heller der Visierpunkt geschaltet wird, um so größer wird dieser. Bei der Projektion bildet der abgebildete Punkt eine Korona um das eigentlich projizierte Zentrum. Je nach Qualität des Visiers fällt dieser größer oder kleiner aus. Je größer der Punkt, um so mehr wird von einem Ziel abgedeckt. Auf kurze Distanzen ist dies noch nicht wirklich problematisch, da das Ziel nah und groß genug ist. Je mehr die Entfernung zunimmt, um so größer ist die Abdeckung des Ziels. Dies kann so weit gehen, dass irgendwann das gesamte Ziel durch den Punkt verdeckt wird. Ebenso kann es zu einer Überstrahlung und damit zu einer Blendwirkung kommen.

Eine hohe Lichtintensität des Punktes ist daher nur bei entsprechenden Lichtverhältnissen zu nutzen, die der Koronabildung entgegen stehen. Merke: Je Heller die Umgebung, umso heller der Punkt.

  1. Nicht zu nah ans Auge

Die Montage eines Rotpunktvisieres ist ebenso wichtig, wie die Nutzung und hängt mit dieser zwangsläufig zusammen.Ein Rotpunktvisier soll beim Anschlagen der Waffe den Rotpunkt in das Sehfeld des Schützen projizieren und dabei dessen Sehfeld so wenig wie möglich einschränken. Da sich der Rotpunkt nicht ohne Umbauten projizieren lässt, muss der Abstand zum Auge des Schützen so gewählt werden, dass die Umbauten der Projektionsfläche möglichst wenig stören, aber das Visier auch noch effektiv nutzbar ist.

Ein Rotpunktvisier ist nun mal kein Zielfernrohr. Daher bietet es sich an, das Visier vor oder im Bereich der Bedienelemente der Waffe zu platzieren. Hier ergeben sich kurze Wege und ein Mindestabstand von ca. 30cm wird eingehalten. Zudem bleibt genug Platz für evtl. Zusatzanbauten (z.B. Magnifier).

Bei der Montage eines Rotpunktvisiere sind neben dem Abstand zum den Augen noch weitere Aspekte zu beachten.Das Zusammenspiel von Körper und Waffe muss korrekt funktionieren, um so ein Visier tatsächlich effektiv nutzen zu können.

Es bringt nicht, wenn man als Schütze nach dem Anschlagen der Waffe erst den Punkt suchen muss, weil Stand, Griff oder Montage des Rotpunktvisiers nicht stimmen.

In 90 Prozent der Fälle wird ein Rotpunktvisier zur schnellen Zielauffassung aus der Bewegung , also dem stehenden Anschlag genutzt. Hierauf sollte auch die Montage ausgerichtet sein. Neben einem korrekten Anschlag (siehe Teil 2- Anschlag) muss die Bauhöhe des Rotpunktvisieres der häufigsten Nutzungssituation angepasst sein. Es bringt nichts, das Visier direkt auf eine Schiene zu schrauben, wenn man im Anschlag dann über das Visier hinweg schaut. Ebenso wenig bringt es einem Schützen etwas, im schnellen Anschlag auf das Batteriefach zu schauen. Von der Anpassung eines ansonsten korrekten Anschlages auf solche Begebenheiten rate ich an dieser Stelle dringend ab, denn daraus resultieren weitere Problematiken und Mängel, die zu Fehlschüssen etc. führen.

Unterschiedlich hohe Montagen kann man bereits recht günstig erhalten und damit dieses Problem lösen.

Ebenso sollte die Waffe und damit auch das Visier auf die genutzte Ausrüstung hin angepasst werden. Es bringt nichts, alles perfekt einzustellen, aber später dann eine Weste, Plattenträger oder sonstige Ausrüstung zu nutzen, die das Anschlagsverhalten beeinflussen. Hier gilt der alte Armeegrundsatz: train as you fight.

Die Justierung eines Rotpunktvisiers ist ein weiterer wichtiger Punkt. Ein Rotpunktvisier auf 100m zu justieren ergibt wenig Sinn. Diese Visiere sind für den Einsatz im Nah- bis Mittelbereich konzipiert, wobei 100m i.d.R. eher das Ende als den Anfang des Nutzungsbereiches darstellen.

Moderne, hochpreisige Rotpunktvisiere arbeiten mit einer Punktgröße von ca. 0,5 – 1 moa. Auf 100m entspricht dies einer Abdeckung ca. 1,252 -2,54 cm. Je nach Sehfeldgröße ist das ca. die Hälfte bis dreiviertel eine Ziels mit Durchschnittskenngröße 1,75m.

Man sieht also, dass eine Justierung auf 100m nicht wirklich Zielführend ist. Auf welche Entfernung bietet es sich also an zu justieren?

Grundlegend stellt sich eher die Frage, welche Entfernungen man im Nah- und Mittelbereich häufig nutzt; auf diese Entfernung sollte das Visier justiert werden.

Sind es wechselnde Entfernungen, bietet sich zumeist die Justierung auf 25m an. Eine Fleckschussentfernung von 25m bietet den Vorteil, dass – relativ kaliberunabhängig – kürzere und weitere Entfernungen nur unwesentliche Höhenablagen ergeben. Man spricht hier von sog. Ziel nah und Ziel fern. Je nach Entfernungsermittlung (nah oder fern) ergibt sich ein Haltepunkt ins Ziel gehen oder Ziel verschwinden lassen.

Dies bietet gerade für dynamische Schusssituationen deutliche Vorteile in Bezug auf schelle Zielerfassung und Schussabgabe. Voraussetzung hierfür sind die trainierte Fähigkeit, entsprechende Haltepunkte anzuwenden und eine ausreichend große Trefffläche.

Eher seltener kommt es vor, dass ein Rotpunktvisier auf eine fixe Entfernung genutzt wird. Sollte dies doch einmal der Fall sein, ist es natürlich logisch, die Justierung für diese Entfernung durchzuführen, auch wenn in einem solchen Fall eine andere Art der Visierung zweckmäßiger ist.

Wie sieht nun eine sinnvolle und zweckmäßige Nutzung einer Rotpunktvisieres aus?

Nachdem nun die grundlegenden Faktoren geklärt sind, befassen wir uns mit dem praktischen Einsatz einer solchen Visierung.

Während offen Visierungen (siehe HIER  Teil 7.1) zunächst durch hin und her Fokussieren, Kontrolle der Visiereinrichtung und im späteren Trainingsverlauf dann mit „Korn scharf“ effektiv eingesetzt werden, wird bei der Nutzung eines Rotpunktvisieres der Schwerpunkt auf das schnelle Anschlagen und gleichzeitige „visuelle Einfangen“ der Visierung gelegt.

Hier erkennt man schon, wie wichtig die Abstimmung von Ausrüstung, Anschlagstechnik und Visiermontage ist. Je ungenauer diese Faktoren zusammen passen, um so länger benötigt man als Schütze, um die Zielmarkierung im Visier zu finden und auszurichten. Im Idealfall wird die Waffe in den korrekten Anschlag (siehe HIER  Teil 2) gebracht und dabei die Zielmarkierung direkt in das Sehfeld projiziert, ohne dass Anpassungen der Waffen- oder Kopfhaltung nötig sind.

Je weniger unnötige Bewegungen notwendig sind, um so schneller kann eine Zielauffassung und kontrollierte Schussabgabe erfolgen. Dies definiert die Effizienz des Gesamtablaufes der ersten Schussabgabe.

Ein weiterer Aspekt ist die kontrollierte Abgabe von Folgeschüssen. Je nach Waffe, Munitionskaliber und Ladung erfährt das Gesamtsystem Waffe + Schütze eine störende, impulsartige Energieeinwirkung, welche als Rückstoß bezeichnet wird. Hierdurch wird das Gesamtsystem gestört und Bewegungen vom Haltepunkt weg, oder aus dem Ziel heraus treten auf.

Je besser Griff (Teil 1), Anschlag (Teil 2) und Nutzung des natürlichen Haltepunktes (Teil3) trainiert und ausgeführt werden, umso kontrollierter kann diese Bewegung eingefangen bzw. reduziert werden. Folglich kann die erneute Erfassung der Visierung (sofern nötig) und die Ausrichtung dieser auf den Haltepunkt schneller und effektiver erfolgen. Wie vorher bereits angesprochen, hat auch die Einhaltung/Beachtung der im Vorfeld genannten Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf den effektiven Einsatz eines Rotpunktvisieres.

FAZIT:  Die Nutzung einer Rotpunktvisierung/Flüchtigvisierung bedarf der Beachtung diverser Faktoren, die essentiell für einen effektiven Einsatz sind. Werden diese nicht beachtet, ergibt dies automatisch eine Störung des Gesamtsystems und man schöpft das Potential dieser Visierungsart nicht aus. Natürlich funktioniert diese als Visierung trotzdem, doch beschränkt man sich dadurch selber und schöpft damit auch das eigene Potential nicht weiter aus. Für den sportlichen Bereich mag dies für weniger ehrgeizige Personen hinnehmbar sein, doch sobald es darum geht, dass ggf. andere von der vollen Nutzung des verfügbaren Potentials abhängig sind, hat man als Schütze die Verantwortung, dieses verfügbar zu machen.

In diesem Sinne – train as you fight

Khi Pa

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