Und zurück an den Start: Nachdem es uns diese exzellente Artikelserie vom Server gewürfelt hat, bringen wir euch die ersten 5 Artikel von „Training mit KL Strategic“ in den nächsten Wochen neu. Diese exzellenten Grundlagenartikel von Khi Pa Landgraf fangen damit an, dass Mann alles im Griff hat:

Der Griff an einer Kurzwaffe macht ca. 80 Prozent des Treffers aus. Man kann die Wichtigkeit dieses Faktes gar nicht genug betonen! Aber warum wirkt sich der Griff denn so sehr auf das Treffergebnis aus?

Egal ob Pistole oder Revolver, das Halten der Waffe ist die einzige Möglichkeit, die auftretenden Energien und daraus resultierenden Kräfte zu beherrschen. Je nach Munition sprechen wir hier von Energien zwischen 120 (.22 lfb) bis ca. 2.500(.454 Casul) Joule Geschossenergie. Daraus resultieren ca. 15- 260 kp.

Nehmen wir einen Durchschnittswert der Patrone 9 x 19mm mit ca. 800J Geschossenergie, entspricht das ca. 82 kp. Ein Schuss mit einer GK Pistole im Kaliber 9x19mm ist also vergleichbar mit einer 8kg Hantel, die man schlagartig halten muss.

Die Problematik hierbei ergibt sich weniger aus den auftretenden Kräften, als aus dem resultierenden Drehmoment und der Tatsache dass sich dieses nicht langsam aufbaut, sondern schlagartig auftritt. In dem genannten Beispiel passiert dies in einer Zeitspanne von ca. 0,0018 Sekunden.

Zurück zum eigentlichen Thema:

Bei einem Schuss treten relativ große Kräfte in einer sehr kurzen Zeitspanne auf. Es geht also darum diese Kräfte sicher zu kontrollieren, abzuleiten und damit den sicheren Treffer zu gewährleisten. Physikalisch und biomechanisch gesehen ist es immer besser, Kräfte abzuleiten, als zu verarbeiten. Die Verarbeitung von Kräften in einem Körper bedeutet grundsätzlich Stress und Verschleiß.

Die verlustarme Ableitung von Kräften kann aber nur über starre Verbindungen erfolgen, denn bewegliche Verbindungen zerlegen Kräfte und leiten sie in unterschiedliche Richtungen weiter.

Das Ziel ist es also, die auftretenden Kräfte möglichst unverarbeitet weiter zu leiten, bis sie uns nicht mehr belasten. Am erstrebenswertesten ist die komplette Ableitung aus unserem Körper auf den Boden.

Das Zauberwort hierzu heißt Körperspannung! Durch den Griff und die Körperhaltung haben wir die Möglichkeit, die notwendigen Muskelreaktionen auf die auftretenden Kräfte zu reduzieren.Dies beginnt bei den Händen an der Waffe. Der Griff begrenzt zunächst die Bewegungsrichtung der Waffe beim Schuss. Da die Möglichkeit der Ableitung von Kräften nur über den Körper besteht, ist die Absicht, die Bewegung und damit die entstehende Kraft so zu steuern, dass sie zurück auf den Körper übertragen wird. Dazu ist es nötig, dass der Griff die Waffe so weit wie möglich allseitig umschließt.Weiterhin ist es notwendig, den Hebelarm der rückwärts wirkenden Kraft (Rückstoß) so gering wie möglich zu halten. Das bedeutet, der Griff muss so hoch sitzen wie es geht. Wenn es funktionieren würde, dann würde man direkt hinter den Verschluss greifen, denn dort passiert die Arbeit und dort wirken die Kräfte.Ein kleines Rechenbeispiel:

wirkende Kraft:                  80N

Hebelarm:                             1,6 cm ( z.B. S&W M&P 9)

Kraft x Hebelarm = Drehmoment

80N x 0,019m = 1,52Nm

Wird der Hebelarm durch zu tiefen Griff um 1 cm verlängert ergibt sich folgendes Drehmoment:

80N x 0,029m = 2,32Nm

Das mag nun nicht nach besonders viel klingen, aber wenn man sich vor Augen führt, dass dieses Drehmoment innerhalb von 0,0018 Sekunden auf die Handgelenke wirkt, dann kann man erahnen, dass dieses Ereignis relativ großen Stress bedeutet. Gleiches gilt auch für die Hände, die die Waffe halten.

Entsprechend dieser Kräfteentwicklung muss der Griff um die Waffe fest sein, damit eine Weiterleitung überhaupt erst ermöglicht wird. Sofern dies nicht der Fall ist, wird die Waffe aus dem Griff heraus „gebrochen“ und man wird ggf. Hauptakteur in einem Youtube GunFail Video.

Das „verriegeln“ der Handgelenke, also das starre Halten hilft dabei, die Kraftweiterleitung zu ermöglichen. Das Zusammenführen der Handgelenke wirkt hier unterstützend, da somit diese Verriegelung nicht durch Muskelkraft erfolgt, sondern durch die Knochenstruktur der Arme und Hände.

Das Eindrehen der Unterstützungshand beim Griff (Thumbs forward – Achtung, nicht bei Revolvern nutzen!) führt zu einer kontrollierten Vorspannung der Bänder und Sehnen und wirkt damit bereits erstmals dem Rückstoß und den damit verbundenen Kräften entgegen. Auch hierbei wird die eigentliche Muskelanspannung auf ein Minimum reduziert und die Arbeit den festen Strukturen von Hand und Unterarm übertragen.

Als weiterer Vorteil ist hier das intuitive Zielen mit dem Daumen der Unterstützungshand parallel zur Rohrseelenachse sowie die Möglichkeit zur Festlegung des vorderen Griffstückbereiches durch den Daumen der Unterstützungshand zu nennen. Der Vorteil der Korrektur durch den Einsatz des Daumens wird im Artikel über die Abzugsarbeit noch genauer betrachtet.Ausgestreckte bzw. überstreckte Arme haben gleich mehrere Vorteile. Nicht nur, dass Sie es ermöglichen, die Handgelenke ohne übermäßige Muskelbeanspruchung hinter der Waffe zusammen zu bringen, sie sorgen auch dafür, dass eine starre Verbindung zwischen Waffe und Körper hergestellt wird.Diese starre Verbindung ist es, die die Kraftweiterleitung auf den Körper überhaupt ermöglicht. Die festen Strukturen im Arm ( Elle, Speiche, Ellenbogengelenk, Oberarmknochen) können somit mit minimalem Stress die resultierende Kraft übertragen. Auch hier ist es wichtig, dass der Hebelarm so gering wie möglich gehalten wird; d.h. die ausgestreckten Arme befinden sich gerade hinter den Handgelenken und damit hinter der Waffe. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Muskulatur nicht genutzt werden muss, um Kräfte zu verarbeiten.

Das Eindrehen der Ellenbogen nach Innen (ähnlich der Armhaltung beim Baggern im Volleyball) bietet hier eine gute Hilfestellung, um das „Verriegeln“ der Arme zu bewerkstelligen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Hände beim Eindrehen nicht auseinander gedreht werden!

Durch diesen Griff in Verbindung mit den verriegelten Armen, kann die nahezu unverarbeitete Kraftweiterleitung auf den Oberkörper erfolgen. Wie es von hier weiter geht, wird in Artikel über den Stand noch genauer erläutert.

Natürlich bieten verriegelte Arme und ein geschlossener Griff noch weitere Vorteile. Im Zusammenspiel mit den anderen Faktoren der Schießtechnik erhöhen sich Kontrolle über die Waffe, Reaktionsfähigkeit, Zielgenauigkeit, die Fähigkeit zu schnellen Zielwechseln u.v.m.

Immer wenn Muskulatur genutzt wird, bedeutet dies, dass eigenen Kraft und Energie aufgebracht werden muss, um eine Position zu halten, oder äußeren Einflüssen entgegen zu wirken. Diese Energie steht uns damit nicht für andere Tätigkeiten zur Verfügung. Wer sich darauf konzentrieren muss, die Waffe auf dem Ziel zu halten, der hat definitiv nicht die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf Abzugsverhalten, Visierausrichtung oder Zielverhalten zu legen. Daraus resultiert, dass die Waffe dem Schützen Ihr Schussverhalten aufzwingt und der Schütze nicht die Waffe kontrolliert.

Schaut man sich die Alternativen zum dargestellten Griff an, fällt auf, dass diese alle mit Muskelspannung und Muskelarbeit verbunden sind.

Beispiel 1 Weaver stance:

Der eingedrehte Oberkörper zwingt dazu, den Schussarm entgegen der natürlichen Körperspannung zu halten. Dazu kommt der Druck und Zug durch Schusshand und Unterstützungshand im Griff. Natürlich kann man auch so Schießen und Treffen, jedoch wird hierbei Energie genutzt, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden kann. Zudem wird die aufgebaute Muskelspannung im Moment des Schusses durch den schlagartig auftretenden Stress gelöst. Als Folge davon muss diese Spannung für den nächsten Schuss erneut aufgebaut werden. Die Nutzung des natürlichen Haltepunktes (siehe: Teil 3/12 – natürlicher Haltepunkt) bleibt hierbei völlig außer Acht. Eine etwaige Augendominanz führt zu einer zusätzlichen Fehlerquelle, die kompensiert werden muss (siehe: Teil 4/12 – Augendominanz )

Beispiel 2 gebeugter Schussarm:

Gerade im Bereich Mehrdistanz u.ä. Disziplinen wird häufig der gebeugte Schussarm als einhändiger Anschlag propagiert. Warum dies eine relativ schlechte Wahl ist, wird deutlich, wenn man sich einmal grafisch den groben Kräfteverlauf betrachtet

Hier fällt auf, dass die ursprünglich horizontal wirkende Kraft durch den Rückstoß immer wieder in horizontal und vertikal wirkende Kräfte mit Hebelarmen aufgeteilt wird. Zudem müssen diese resultierenden Kräfte rein durch die Muskulatur in Unter- und Oberarm aufgenommen und verarbeitet werden. Es erfolgt keine Ableitung. Mit zunehmender Entfernung von der Waffe nehmen die wirkenden Kräfte natürlich durch Verarbeitung und Auslenkung in den Gelenken ab, so dass am Körper selber keine nennenswerten Kräfte mehr ankommen. Hier zeigen sich zwei schwerwiegende Probleme:

  • Die größten Kräfte wirken am Handgelenk, dem schwächsten Element in der Kette und nehmen ab, je weiter die Kraft zu stärkeren Muskelpartien wirkt.
  • Durch das abgewinkelte Handgelenk ist eine wirksame Kraftentwicklung nicht möglich! Das Stressereignis wirkt also ungehindert auf Bänder, Sehnen und Gelenk. Zusätzlich entsteht hier bereits der erste Hebelarm, der ein Drehmoment erzeugt, das im weiteren Kraftverlauf durch Muskulatur verarbeitet werden muss.

Wie bereits an anderer Stelle angedeutet, kostet die Verarbeitung und Neuausrichtung von Muskulatur nach einwirkendem Stress Zeit und Energie. Kurz gesagt, man bremst sich dadurch selber aus und dann kommt es schnell zu einer Stagnation durch Begrenzung der eigenen Leistungsfähigkeit.

FAZIT: Der Griff bedingt den Treffer! Die relevanten Faktoren bei der Abgabe eines Schusses sind auftretende Kräfte, Drehmomente und Zeitspanne der Einwirkung.

Um die eigene Leistungsfähigkeit nicht unnötig zu begrenzen, geht es darum, durch Körperspannung nicht durch Muskelspannung eine Kraftweiterleitung und -ableitung zu bewerkstelligen. Alles andere bindet Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller genutzt werden können.

Es sind die einfachen Dinge, die zum Erfolg führen. Unnötiger Energieeinsatz durch nicht benötigte Muskelspannung, Bewegungsabläufe oder Konzentrationsschwerpunkte sollte man vermeiden, wenn man gewillt ist, seine eigene Leistungsfähigkeit auszuschöpfen.

Getreu dem Leitsatz: „be you guns master, not it´s bitch“

Khi Pa