„Woran erkennt man gute Schießausbildung?“, während eines Vortrags an der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg wurde diese Frage von einem Zuhörer gestellt. Dieser Beitrag ist der Versuch einer Antwort von Henning Hoffmann, Schießtrainer mit seiner AKADEMIE 0/500 und Autor von „Feuerkampf und Taktik“. 

Knickt man ein Blatt Papier und macht ei­nen Falz hinein, wird dieser Falz für immer sichtbar sein. Er geht nie wieder raus. Nicht durch Gegenfalzen und auch nicht durch bügeln. Die Verantwortung eines Schieß­ausbilders ist, den Falz bei seinen Studenten gleich beim ersten Training an der richtigen Stelle zu machen. Was man am ersten Tag der Schießausbildung lernt, ist das Wich­tigste: Sicherheitserziehung, stresssichere Handhabung und stabile Grundlagen für die Schießtechnik. Aus dem Falz am ersten Trainingstag entsteht durch weiteres Falten ein dreidimensionales Objekt bis hin zum fertigausgebildeten Waffenanwender.

Sicherheitserziehung

Gute Schießausbildung erkennt man vor allem daran, dass sie sich den 4 Sicherheits­regeln nach Jeff Cooper unterwirft. Es reicht dabei nicht, um diese Regeln zu wissen und sie herbeten zu können. Die vier Sicherheits­regeln müssen auch gelebt werden. Mit diesen Sicherheitsregeln verhält es sich wie mit Grundrechten: Sie gelten immer, über­all und für jeden. Das Sicherheitsprotokoll sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass nach Sicherheitsregel #1 alle Waffen immer geladen sind. Insbesondere Ausbilder, mit einem (schieß-)sportlichen Hintergrund, folgen häufig einem Sicherheitsprotokoll, wonach jede Waffe entladen ist. Ein fataler Irrtum. Schießunfälle sind vorprogrammiert.

Henning_3Konzeptioneller Anspruch

Gute Schießausbildung sollte außerdem generisch sein und eine systematische Wei­terentwicklung der Fertigkeiten des Schüt­zen ermöglichen. Ohne sich dabei in Waf­fenhandhabung, Schießtechnik und Taktik selbst zu widersprechen. Man sagt auch das Ausbildungskonzept sollte einfach, unab­hängig, kohärent, doktrinfrei und robust sein. Gute Schießausbildung ist somit weder komplex noch kompliziert. Sie ist jedem Teilnehmer mit Stift, Papier und wenigen Linien erklärbar. Die Triangel der Schießausbildung bei­spielsweise, wie sie in der Schweiz entwi­ckelt wurde, ist eine Möglichkeit, ein voll­ständiges Konzept abzubilden. In der Pilot­ausgabe von Waffenkultur vom September 2011 wird detailliert auf den Aufbau dieser Triangel eingegangen.

Grundfertigkeiten und Schießtechnik

Die vier Grundfertigkeiten des Schießens sind neben der Sicherheitserziehung und dem konzeptionellen Anspruch ein weiterer elementarer Baustein einer guten Schieß­ausbildung. Visierbild, Haltepunkt, Ab­zugskontrolle und Nachzielen sind bei jeder Schussabgabe anzuwenden. Egal in welchem Umfeld, egal mit welchem Waffensystem. Grundfertigkeiten ermöglichen das Treffen. Ein Gewehrkurs sollte darüber hinaus tech­nische Elemente enthalten, wie bspw. das Nutzen von Referenzpunkten zwischen Mensch und Waffe. Außerdem sollten Stan­dardschießpositionen wie der Kniendan­schlag und Liegendanschlag so ausführlich besprochen und geübt werden, dass jeder Teilnehmer am Ende in der Lage ist, eine stabile Schießplattform ohne Hilfsmittel, wie Zweibein oder Sandsack aufzubauen. Kurzum: Der Teilnehmer wird befähigt, sein Ziel treffen. Das Waffensystem zum Funktionieren zu bringen und am Funktionieren zu halten, wäre ein weiterer wichtiger Punkt. Laden, Entladen und Störungsbeseitigung fallen in den Bereich der Handhabung. Gute Schieß­ausbildung greift hier auf ein Baukastensystem zurück, indem möglichst viele Ma­nipulationen an der Waffe mit demselben oder einem sehr ähnlichen Bewegungsab­lauf ausgeführt werden können. Ebenso gehört das Vermitteln einer Methode, zum effizienten Einschießen einer Langwaf­fe zum Bereich „Handhabung“ und sollte Bestandteil guter Schießausbildung sein.

Henning_2Der Ausbilder

Neben den Lehrinhalten des Kurses soll­te auch der Ausbilder hinterfragt wer­den. Mit wem hat der Ausbilder trainiert? Welche Referenzen hat er? Was vermittelt er? Wo wurde er zum Ausbilder ausgebil­det? Auf diese Fragen muss ein Ausbilder Rede und Antwort stehen können.

Ern­tet man stattdessen nur erstaunte Blicke oder den Lapidarsatz: „Ist doch egal. Hier geht es ums Treffen.“, sollte vom Kursbesuch Abstand genommen werden. Hat der Ausbilder keine anderen Referen­zen als ein paar gewonnene Schießsport­wettkämpfe, ist es mit einem allgemeingül­tigen System der Waffenhandhabung auch nicht weit her. Hier sind allerhöchstens spe­zifische Wettkampftipps zu erwarten, die für die Masse der Endanwender von keiner Relevanz sein dürften. „Der war bei einer Spezialeinheit!“, bedeu­tet vor allem, dass er lange Strecken mit schwerem Rucksack laufen kann und rela­tiv unempfindlich gegen Schmerzen, Kälte und Hunger ist. Es sagt aber nichts über seine Qualitäten im Schießen aus. Schon gar nicht über seine Fähigkeiten als Schieß­ausbilder. Die ehemalige Zugehörigkeit zur Spezialeinheit XYZ ist kein Garant für gute Schießausbildung. Mangelt es doch bei diesem Personal meist an Referenzen oder individuellen Weiterbildungsmaßnahmen. Darüber hinaus ist Schießen bei Spezial­kräften das kleine Einmaleins und bisweilen nicht einmal eine direkt missionsrelevante Fähigkeit. Angehörige von Spezialeinheiten haben noch andere nicht unwichtige Dinge zu trainieren: z.B. Sprachen, Kommunika­tion, Medic, Taktik und Nachtoperationen und immer öfter auch die Rolle als Risk Ma­nager oder Advisier.

Referenzen und Weiterbildung

Referenzen von Kursteilnehmern sind ein guter Anhalt aber nicht das Maß der Dinge. Welche Referenzen erhält der Ausbilder von anderen Ausbildern? Hat er die überhaupt? Die persönliche Weiterbildung muss für jeden Ausbilder im Fordergrund stehen. Kursbesuche bei anderen Lehreinrichtun­gen sollten regelmäßig erfolgen. Das heißt mindestens zweimal pro Jahr. Auch diese Information sollte sich ein Kursteilnehmer nicht scheuen zu hinterfragen. Schießaus­bilder sein ist kein Ziel, sondern ein Weg.

Der Beitrag von Henning Hoffmann ist zuerst in der WAFFENKULTUR 12/2013 erschienen. Das Open Source Magazin für Waffenanwender gibt es HIER zum downloaden oder online lesen. Henning Hoffmann selbst gibt es auf SPARTANAT bereits im Interview: HIER zum Nachlesen. Bitte auch sein Kursangebot unten beachten (zum Vergrößern anklicken):

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