Johannes Clair hat mit seinem Buch „Vier Tage im November“ einen Bestseller gelandet. Der ehemalige Fallschirmjäger beschreibt darin seinen Einsatz im Land am Hindukusch. Und sehr offenherzig und kritisch, was er sich dabei gedacht hat. SPARTANAT hat Johannes Clair (28) zum Interview gebeten und wollte wissen, warum er glaubt, dass ausgerechnet sein Buch so erfolgreich ist.

SPARTANAT: Was ist ein Soldat heute?

 Johannes Clair: Für mich stellt der Soldat jemanden dar, der schützt: diese Bürger und dieses Land. Dieser Beruf ist in Deutschland etwas Ehrenwertes, weil wir durch unsere problematische Vergangenheit eine kritischere Sicht auf das Tätigkeitsfeld der Soldaten haben. Schon als Kind, ohne zu wissen, was das bedeutet, wollte ich zur Bundeswehr. Ich kann mich nicht erinnern, diesen Gedanken mal nicht gehabt zu haben.

SPARTANAT: Du bist Fallschirmjäger geworden und hast dabei Höhenangst?

 Johannes Clair: Das war Selbsttherapie. Hat aber nicht ganz geklappt. Jeder Sprung war die Hölle. Wenn ich recht überlege, war die Entscheidung auch Irrsinn. Ich habe die Konfrontation mit meiner Angst gesucht.

SPARTANAT: Dein Buch ist inzwischen in der dritten Auflage erschienen und ein richtiger Bestseller. Warum hast du es geschrieben?

 Johannes Clair: Ich wollte mich lösen von einer Bewertung des Afghanistan-Einsatzes. Mir ging es um die kritische Sicht des Soldaten. Um den Staub, die Hitze und das, was mir um die Ohren fliegt. Für uns  Soldaten war schon klar, dass es ein Krieg ist. Die Bundeswehr war dort seit 2001 immer an Kriegshandlungen beteiligt. Dass wir nur patrouillieren und Brunnen bauen, ist Blödsinn. Von Dienstbeginn an habe ich mir die Frage gestellt, was ich als Soldat mache: Ich werde auch eingesetzt. Ich hatte keine Sehnsucht nach Krieg, ich wollte nicht in den Kampf. Ich habe mich nicht danach gesehnt, auf Menschen zu schießen oder dass auf mich geschossen wird. Aber da ich der Meinung war, dass wir dort etwas Sinnvolles tun, nämlich helfen, wollte ich auch dabei sein.

SPARTANAT: Im Feldlager herrscht aber deutsche Bürokratie?

 Johannes Clair: Der Betrieb im Feldlager gleicht halt einer deutschen Kaserne, da gibt es viele Vorschriften. Ein Kamerad wurde mit einem Gefechtsfahrzeug von den Feldjägern geblitzt: 2 000 Euro Strafe. Man darf auch nicht ohne Mütze herumlaufen. Der Müll wird streng getrennt, von den Afghanen abgeholt und auf einem Haufen zusammen verbrannt. Manche Regeln sind schlichtweg idiotisch. Die Bundeswehr ist auch sehr unflexibel, was die Kampferfahrung angeht. Wir mussten erst zehn Jahre in Afghanistan sein, um zu merken, dass wir wirklich in Gefahr sind und auch Artillerie-Unterstützung brauchen. Das Fehlen von geeigneten Hubschraubern, um Verwundete vom Schlachtfeld zu holen, ist ein Skandal.

SPARTANAT: Wie sieht der Feind in Afghanistan aus?

 Johannes Clair: Das ist das größte Problem des Einsatzes: Das Feindbild ist nicht klar. Nur die Taliban? Das stimmt nicht. Jeder kann der Feind sein: Clanchefs, Warlords, Waffenschmuggler, korrupte Politiker. Wir machen unseren Job. Es geht immer nur ums Reagieren, wir können nie die ersten sein. Und das belastet wahnsinnig. Wir konnten nur darauf warten, dass es irgendwo knallt.

SPARTANAT: Wie hast Du die Gefechte erlebt?

 Johannes Clair: Die Konfrontation beendet das lähmende Gefühl der Unsicherheit. Wochenlang passierte nichts. Irgendwas musste passieren. Nicht, weil ich mich nach dem Gefecht sehnte, sondern weil ich das furchtbare Gefühl des Wartens loswerden wollte. Als es soweit war, sorgte das Adrenalin über Stunden für Euphorie. Wie ein Drogenrausch. Angst gab es da nicht. Die Angst kam erst später, nach einem Hinterhalt in der Nacht, dem wir nur knapp entkommen sind. Aber wir waren auch stolz auf unsere Arbeit und froh, heil da rausgekommen zu sein. Und dann gibt es auch noch die andere Seite: Krieg führt zu Verrohung. Soldaten stumpfen ab, auch wenn man sich noch so viele Gedanken macht. Zum Beispiel indem die Witze derber wurden oder manche abfällig über die Afghanen gesprochen haben. Das ist Krieg. Er bringt auch unglaubliche Grausamkeit über die Zivilbevölkerung. Wir Deutschen sind aber keine Aggressoren. Wir gehen da nicht hin mit dem Ziel, Menschen zu töten.

SPARTANAT: Würdest Du wieder nach Afghanistan gehen?

 Johannes Clair: Ja. Es waren zwar teilweise schreckliche Erfahrungen, ich habe aber auch viel für mich persönlich mitgenommen. Politisch kann ich den Einsatz nicht bewerten. Ob wir etwas bewirkt haben, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Aber wir haben durch eine große Operation, die in meinem Buch eine zentrale Rolle spielt, viele Dörfer von Aufständischen befreien können. Es gibt keine einfache Antwort. Aber wir hatten einen Grundsatz: Wir wollten helfen.

SPARTANAT: Warum denkst Du ist Dein Buch so erfolgreich?

 Johannes Clair: Ich wollte etwas schaffen, das vorher noch niemand versucht hat: Niemanden zum Befürworter oder Gegner des Einsatzes in Afghanistan machen, sondern Verständnis erzeugen. Verständnis dafür, warum Menschen in so einen Einsatz gehen, was in diesem Einsatz und in diesem Land passiert und wie er mich verändert. Ich wollte erreichen, dass die Menschen in Deutschland verstehen, welche Glücksmomente und Todesängste wir dort erleben und welche Belastungen das für die Familie bedeutet.
Ich wollte aus der Sicht des einfachen Solddaten, ohne Fachbegriffe, erzählen, warum es immer schwer ist, solche Einsätze durchzuführen, warum es aber trotzdem sinnvoll sein kann.
Offenbar haben viele darauf gewartet, endlich mal eine tiefe Sichtweise, ohne dass alleinige Verurteilen und Anprangern zu erhalten.

SPARTANAT: Was sind deine Zukunftspläne?

 Johannes Clair: Ich habe ein Studium angefangen und informiere auf meiner Facebook Präsenz facebook.com/viertageimnovember über sicherheitspolitische Themen. Außerdem arbeite ich bereits an meinem nächsten Buch. Das Thema wird aber fiktiv sein. Ich bin sehr dankbar für die Chance, mich als Autor weiterzuentwickeln und den Menschen mitteilen zu können. Das macht mir riesigen Spaß.

Zur SPARTANAT Buchvorstellung von „Vier Tage im November“ geht es HIER.

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